Nazi-Herrschaft in Rankweil

Mit dem Beginn der Naziherrschaft in Rankweil im März 1938 wurden zahlreiche Veränderungen mit Nachdruck umgesetzt:
Bürgermeister Seraphin Reich wurde „gejagt“ und durch  Dr. Franz Schöch ersetzt. Gemeindesekretär Rudolf Fritsch wurde durch „Heimkehrer“ Alois Fritsch ersetzt. Gemeindekassier Karl Speckle, nach Oberkrain abgeordnet. Linder Karl, Schulleiter der Volksschule Rankweil, wurde nach Brederis abgeschoben.

Postenkommandant Ludwig Gassner wurde am 10. Juni 1938 nach Hittisau versetzt und am 15. Dezember entlassen. Ammann Karl, Gendarmerie-Rayons-Inspektor, wurde Ende November 1938 zwangspensioniert. Selbst der 1. Waldaufseher der Marktgemeinde Rankweil, Nachbaur Mathäus, wurde entlassen. Dr. Bischof Franz wurde im Juli 1938 durch Dr. Franz Schöch als Gemeindetierarzt ersetzt. Die Valduna-Ärzte Ritter Gebhard und Steiner Hans wurden im März 1939 mit verkürzten Bezügen in den Ruhestand versetzt. Gemeindearzt Dr. Leonhard Gaßner, ein „Illegaler“ in den 30iger Jahren, wechselte mit 1. 12. 1938 als Anstaltsarzt in die Valduna.

Bekannte Nazi-Gegner vor dem Anschluss, wie Fröhlich August (ab 1945 Bürgermeister), Sinz Julius, Längle Franz und Dr. Konzett Lorenz wurden umgehend für ein bis zwei Monate in Haft genommen. Bis April 1945 sind noch etwa 50 weitere Personen aus Rankweil inhaftiert worden. Pfarrer Alois Knecht sogar ins KZ.  Am 24. April 1945 wurden noch 10 Rankweiler in Geiselhaft genommen.

Bürgermeister Jenny musste zuerst Probleme mit der Gemeindeverwaltung lösen. Die Einführung des Standesamts und der obligatorischen Zivilehe ließen ihn Ausschau nach einer neuen Unterbringung der gesamten Gemeindeverwaltung halten. Unter seinen Vorgängern standen der Gemeindeverwaltung einige Zimmer im Armenhaus zur Verfügung.

Arzthaus wird Rathaus
Auf Betreiben der Gemeinde verkaufte das Land Vorarlberg im Herbst 1938 das 1869 erbaute Chefarzt-Wohnhaus der Heilanstalt Valduna (heute Ringstraße 2) um 25.000 Reichsmark an die Gemeinde. Ortsgruppenleiter Ludescher besetzte sofort das Obergeschoss für sich als Wohnung. Jenny bewies Mut, als er dem hohen Parteifunktionär klarmachte, dass das ganze Gebäude für die Gemeindeverwaltung benötigt werde. Nun standen zehn Zimmer als »Amtsstuben« zur Verfügung. Am 2. Jänner 1939 konnte das Rathaus, entsprechend umgebaut und mit neuen Möbeln ausgestattet, bezogen werden. Die alte »Gemeindekanzlei« im Armenhaus wurde an die Spar- und Darlehenskasse abgetreten, die auch den sogenannten »Armenhausstall« übernahm und zu einem zweckmäßigen Warenmagazin umbaute.

Umbenennung von Plätzen
Der frühere Konkordiaplatz wurde am Tag der Volksabstimmung dem 11. April 1938 in Adolf-Hitler-Platz umbenannt. Dies war Teil des Personenkultes um Hitler und diente der Propaganda und Machtdemonstration.

Im Jänner 1939 wurde der Kaiserplatz im Unterdorf in Herbert-Norkus-Platz umbenannt. Der Namensgeber war ein Hitlerjunge, der 1932 bei einer Propagandaaktion von Komunisten getötete wurde. Bei der Feier gedachten der Jungbannührer Fritz Franke und desssen Vater Propagandaleiter Ernst Franke, dem „Vorbild für einen kämpferischen Einsatz der Hitler-Jugend“ und als „Blutzeuge“ der Bewegung.

Im Juli 1939 erhielt der Platz vor dem neuen Rathaus (gegeüber dem heutigen Vinomnasaal) den Namen Horst-Wessel-Platz. Horst Wessel war ein SA-Mann, der Ende der 1920er Jahre ein Kampflied der SA verfasste. Nach der Machtübernahme der NSDAP (in Deutschland) fungierte das Horst-Wessel-Lied de facto als zweite deutsche Nationalhymne.

Poker um Vereinshaus und Kino
Ab den Umsturztagen im März 1938 beanspruchte die »Hitlerjugend« die Gemeinschaftsräume des Vereinshauses. Aufgrund eines Gesetzes vom 14. Mai 1938 wurde der Katholische Jünglingsverein in Rankweil auf gelöst und sein Vermögen zugunsten der NSDAP in München beschlagnahmt. Die NS-Ortspartei beabsichtigte die Übernahme des Vereinskinos, der jedoch eine Weisung der Reichsfilmkammer entgegenstand:
Sie werden darauf aufmerksam gemacht, dass die Ortsgruppe Rankweil der NSDAP in keiner Weise, weder offen, noch mit Hilfe eines Strohmannes, sich am dortigen Filmtheater beteiligen darf. Sie würden damit gegen eine Verordnung des Reichspropagandaleiters Dr. Goebbels und des Reichsschatzmeisters Franz Xaver Schwarz verstoßen.

Die von der Behörde geforderte sachkundige und verfügungsberechtigte Person für den weiteren Kinobetrieb konnte aus Sicht der Partei niemand anderer sein als der bisherige langjährige Geschäftsführer Ernst Breuß, der nun von der Reichsfilmkammer als Mitglied aufgenommen und zum treuhändigen Verwalter bestellt wurde. Dieser bildete nun mit Dr. Franz Schöch und Bürgermeister Hans Jenny eine Gesellschaft, die von Pfarrer Strasser das Tonkino um die noch offene Darlehensschuld in der Höhe von 4.670 Reichsmark übernahm.

Ein Jahr später entzog die Reichsfilmkammer den Gesellschaftern die Betriebsbewilligung für das Rankweiler Tonkino mit der fadenscheinigen Begründung, die Inhaber seien durch ihren Beruf schon vollkommen in Anspruch genommen seien. Der hochrangige Parteigenosse Hans Dietrich wurde zum neuen Besitzer von Kino und Vereinshaus erklärt und musste als Gegenleistung nur die bestehenden finanziellen Verpflichtungen übernehmen. Darlehensschulden bestanden keine mehr! Aufgrund einer Vollmacht vom 11. Februar 1941 und eines (Schein-)Vertrages vom 26. Februar 1941 erfolgte die Eintragung im Grundbuch.
Welche Leistungen und Verdienste dieser großzügigen Schenkung an das Mitglied der Österreichischen Legion, Sturmbannführer Hans Dietrich, außer seinem Parteibeitritt 1929 zugrunde lagen, sind nie bekannt geworden. Der neue Besitzer und Betreiber richtete sich in den bisherigen Jugendräumen eine Wohnung ein, während die Hitler-Jugend in eine ehemalige Stickerei bei der Volksschule übersiedeln musste.

Wirtschaftliche Organisationen
durften in ihren Verwaltungs- und Aufsichtsbehörden
nur solche Funktionäre haben, die von der NSDAP als genehm erachtet wurden. Einrichtungen wie die Spar- und Darlehenskassa wurden von der NSDAP ebenso mit Parteigängern besetzt, wie der Obst- und Gartenbauverein oder auch andere Sport- und Kulturvereine.

Geschäftsleute, die als Nazigegner auf der schwarzen Liste standen, erlitten die schwersten wirtschaftlichen Schädigungen. Sie konnten keine öffentlichen Aufträge erhalten. Mitunter wurden ihnen die Geschäfte geschlossen: Eisenhandlung Jakob Ammann, Porzellanwaren Sinnstein Theodor, Gastwirtschaft und Cafe Matt Viktor, Kaffeeausschank Preg Josef, Riedmann Felix Gasthaus zur Krone. Feuerversicherungsvertretungen wurden weggenommen: Riedmann Thomas, Gau Ferdinand, beteiligt wurde damit der Illegale Madlener Hugo und später Dietrich Hugo.

Alles hatte dem Kriege zu dienen. Jeder Gewerbebebetrieb, wollte er bestehen, musste sich auf Kriegserzeugnisse umstellen. Wer dies nicht wollte, rückte ein.

Alle politischen und katholischen Vereine wurden aufgelöst und deren Vermögen kassiert. Das Kino, im Besitz des Pfarrer Strassers, wurde enteignet und letztlich Eigentum des „Heimkehrers“ Johann Dietrich. Das Haus des Katholischen Jünglingsvereins wurde zum „Haus der Hitlerjugend“ bestimmt.


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